Um 16 Uhr kommen wir in dem pittoresken und quirligen Hafen „Le Palais“ auf der Belle Ile an. Unterhalb der beeindruckenden Festung des französischen Feldherrn Vauban befindet sich eine kleine, schnuckelige „ecluse“, die sich unversehens für uns öffnet. Gemeint ist damit eine Fußgängerbrücke, die ähnlich wie in Holland funktioniert. Wir werden vom Hafenmeister in seinem Dinghi längsseits an die Stadtpier dirigiert und bugsiert (wie im Mittelmeer meist üblich hat sich diese Sitte hier wohl auch eingeschlichen). Im Laufe der nächsten 2 Tage sehen wir dann, dass es bei den vielen einlaufenden Schiffen und der Enge des Hafens doch häufig auch notwendig ist.
Zügig haben wir bei der freundlichen Hafenmeisterin bezahlt und uns alle notwendigen Informationen besorgt. Wir bummeln durch die wirklich schöne und historisch anmutende Innenstadt. Auch hier hat noch so manches Geschäft mit dem Hinweis auf die Hauptsaison im Juli und August geschlossen. In einer Fotogalerie sehen wir ein tolles, gerahmtes Fotobild, welches sich sehr gut an unserem Hauptschott im Schiff machen würde. Das ganz Große kostet jedoch inkl. Rahmen rund 1.000 Euro und das kleinere für nur 78 Euro ist denn wieder zu klein, um noch zu wirken. Die Suche geht also weiter.
Der Sonntag, 5.6. weckt uns mit herrlichem Sonnenschein. Schnell wird gefrühstückt und dann leihen wir uns tatsächlich Fahrräder mit Elektro-Unterstützung aus (neue Wortfindung meinerseits: „avec accelerateur“). Wie uns die Dame im Touristenbüro nämlich abends zuvor versicherte, ist die Insel sehr hügelig. Sie hatte recht! Mit unseren kleinen 6-Gang Klapprädern wäre ich spätestens nach 3 km umgedreht. Und Manfred, der zunächst ein normales Fahrrad ausleihen wollte und sich schlussendlich von mir überreden ließ (reiner Eigennutz, sonst hätte ich ja auf jeder Anhöhe auf ihn warten müssen „haha“) hat die Akkuunterstützung denn am häufigsten eingesetzt. 100 km sollte die Reichweite sein, dass wollte er denn auch ausnutzen, obwohl das Aufladen der Akkus doch mit französischem Atomstrom von statten geht. Tja, so schnell kann man seine Überzeugung vergessen….
Wir folgen dem ausgeschilderten Rundweg nach Norden zum nächsten kleinen Hafen „Sauzon“. Die Inselränder sind schluchtenreich, wild verwuchert und zum Teil bewaldet. Eine herrliche Wildnis, wenn man von den zumeist asphaltierten Wegen absieht. Je länger wir fahren, umso begeisterter sind wir von der Landschaft und von unseren tollen Elektro-Fahrrädern. Dabei scheint die Sonne und die Bienen und Hummeln summen in den Wildwiesen. Gegen Mittag kommen wir in Sauzon an und sind von diesem schnuckeligen Ort auch total begeistert. Daher gibt es direkt am Hafen einen Kaffee und wir fahren frisch gestärkt weiter zum Anwesen der berühmten Schauspielerin Sarah Bernhard. Dass die gute Frau einen kleinen Spleen hatte, sieht man beim Anblick ihres „Forts“. Es steht so exponiert an der hohen und zerklüfteten Steilküste im Norden, dass zur damaligen Zeit das Hinkommen recht mühsam gewesen sein muss. Sie hat dann wenige Jahre später ein 2. Haus bauen lassen, welches etwas geschützter und leichter zu erreichen war.
Nachmittags erholen wir uns an dem großen Strand „Donnet“. Hier donnern die Wellen selbst bei Niedrigwasser auf den Sand, so dass die Wellenreiter/innen sich berufen fühlen, sich immer wieder in die Fluten zu stürzen. Wir stellen uns nur kurz in das saukalte Wasser rein und legen uns anschließend schön in die Sonne :-)
Weiter geht die Radfahrt zum westlichsten Punkt der Insel. Auch hier gigantische Felsen, Schluchten und Steilküste. Die lange Anna von Helgoland wäre hier ziemlich albern anzusehen zwischen all‘ den Felsnadeln, die es hier so gibt.
Erst gegen 18 Uhr kommen wir wieder zurück und sind erledigt. Geschätzte 40 km sind wir geradelt und der Akku hat sogar bei Manfreds Ausnutzung super durchgehalten. Anstrengend war es trotzdem. Die „Belle Ile“ trägt ihren Namen zu Recht, so befinden wir!
Abends gehen wir in eine Kneipe mit Wi-Fi und schauen uns den Wetterbericht der kommenden Tage an. Hier fällt der Entschluss, am Dienstag die französische Küste zu verlassen und bei (noch) ruhigem Wetter die Biskaya zu überqueren. Zwar dauert die 400 sm lange Überfahrt etwas länger bei wenig Wind, eine ruhige Überfahrt ohne Starkwind ist uns der „Preis“ wert.
In Le Palais wird am Montagmorgen frisch eingekauft, Wasser gebunkert und ich bereite Gulasch im Schnellkochtopf vor. Der Rest des Tages wird mit einer Busfahrt in den Süden und zum „Grand Sables“ (Großer Sandstrand) vertrödelt. In südlichsten Ort der Insel namens Locmaria steht nur eine Wallfahrtskapelle, die uns jedoch nicht wirklich begeistert. Gut, dass wir mit dem Fahrrad den Norden abgeradelt haben. Was jedoch noch aussteht, ist eine Wanderung an der Küste entlang. Das nutzen hier zu dieser Jahreszeit schon viele Wanderer. Der Küstenwanderweg muss fantastisch sein und bietet uns Vorsätze für das nächste Mal – hoffentlich nicht in allzu weiter Ferne.
So und dann ist der Tag gekommen: am Dienstag, 7.6. um 7.30 Uhr laufen wir aus. Mit frischem Baguette und Rosinenschnecken versorgt, geht es raus auf See – jetzt in „Echt“, da wir ja bislang nur Küstensegelei betrieben haben. Manfred hat dieses Wetterfenster ausgesucht und ich muss sagen, er hat seine Wahl gut getroffen. Bis auf eine Nacht mit Regenschauern und gelegentlichen, kleinen Böen verläuft die Überfahrt ohne besondere Vorkommnisse. Knapp 4 Tage und 3 Nächte wird die Überquerung dauern, die ihr hier in der Kurzfassung berichtet bekommt.
Besuch und Wacheinteilung:
Wir werden sehr häufig von Delfinen besucht – sogar einmal nachts ziehen diese wendigen Tiere ihre Leuchtspur vor unserem Bug durchs Wasser – magische Momente selbst für Nichtromantiker! Meine Wache beginnt nach dem Abendessen so zwischen 18 und 19 Uhr und gegen Mitternacht wecke ich Manfred mit frisch aufgebrühtem Kaffee. Dann sitzt er ganz allein im Cockpit und muss auf uns aufpassen. So gegen 5 Uhr werde ich dann wieder rausgerufen. Mit einem „echten“ Sonnenaufgang sind diese Morgenstunden trotz der Müdigkeit recht schön. Wenn der Himmel jedoch bewölkt ist, ist meine Laune eine ganz andere…!
Tagsüber vertrödeln wir die Zeit mit Lesen und dem Ratespiel „black stories „ (Tolles Geschenk, liebe Gaby!). Sogar zum Staubsaugen und Messingputzen finden wir die Lust und die Gelegenheit, als wir mal etwas ruhigen Seegang haben. Für einige unserer Leser mag das merkwürdig anmuten, aber man hat tagsüber ja auch mal Langeweile und im Schiff sind die Haar- und Wollmäuse sehr fleißig dabei, sich zu vermehren. So nutzt man eben die Zeit auf See, statt diese ungeliebten Aufgaben im Hafen zu erledigen, wo man dann vielleicht viel lieber Bummeln und Kaffeetrinken geht.
Die Nächte – immer eine Herausforderung:
Ich komme noch nicht so gut mit dem wenigen und schaukeligem Schlaf klar und hole diesen dann tagsüber nach, während Manfred mit seinem Schlaf ab 19 bis 0 Uhr und dann von 6 – 10 Uhr sehr gut auskommt. Am blödesten für den Einschlafversuch ist die Rollerei bei Dünung, wenn zu wenig Wind die Segel füllen kann. Aber mit unseren Kojen im Salon, die beide ein Leesegel haben, ist es auszuhalten. Und wie mir alle voraussagten, die bereits eine längere Seereise gemacht haben, in der 3. Nacht klappt es auch … mit dem Schlafen. Die Nächte sind übrigens pickenpackendunkel – der Mond ist momentan nur eine kleine Sichel und geht recht schnell wieder schlafen. Hin und wieder haben wir Nebelfelder und während man so ins Nichts starrt, sind die bekannten Gruselfilme (mein schlimmster Film war „The Fog“!) doch wieder recht präsent. Zum Glück hilft da das Radar weiter – allerdings spare ich mir hier das Tuten, weil alle anderen Schiffe lt. AIS mindestens 10 sm weit weg sind.
Segel- und Motorvergnügen:
Die Tage vergehen abwechselnd mit Motoren (bäh) und Leichtwindsegeln. Wir sind bass erstaunt und das immer wieder, mit wie wenig Wind dieses doch recht schwere Schiff sich vorwärts bewegt. Alles über 3 kn Geschwindigkeit ist auch für den Autopiloten noch gut steuerbar. Darunter wird’s dann schwierig und auch die Segel ballern, knallen und schlackern im Seegang. Seegang ist auch ein Stichwort: für mich eine absolute Premiere, 2-3 m hohe langgezogene Dünung bei wenig bis gar keinem Wind sind echt beeindruckend. Wie mag das es noch weiter draußen auf dem Atlantik sein?!
Ola – Spanien:
Als besonders schön werde ich den ersten Anblick der spanischen Nordküste in Erinnerung behalten. Wenn es in Frankreich schon hohe Felsen gab, so kann man von dieser Gegend mit Fug und Recht behaupten, dass es sich hier um Gebirgszüge handelt. Der Seegang beim berüchtigten „Cap Finisterre“ ist allerdings fürchterlich, sogar bei nur 2-3 Windstärken. Auf den letzten Seemeilen bis zum geschützten und bei allen Wettern anzulaufenden Hafen „Muros“ wird es denn doch noch richtig sportlich mit 5 Windstärken und ziemlich konfuser See. Aber Manfred meistert auch das letzte Seestück souverän, während ich mit Kopfschmerzen unten im Salon liege.
In der Marina von Muros werden wir von „Pedros“ in Empfang genommen. Ein Hafenmeister, wie man ihn sich wünscht. Einer der wenigen, der wirklich weiß, wie man mit Leinen umgeht, spricht fließend Englisch und hat dabei jede Menge Schalk im Nacken. Trotzdem vermittelt er uns zügig und vollständig die für uns wichtigen Informationen. Insbesondere die Formalitäten werden hier in Spanien wohl noch recht ernst genommen. Sämtliche Schiffpapiere und Personalien sind mitzuteilen – nicht nur dem Hafenmeister, auch die zwei Zöllner, die unvermittelt auf dem Steg stehen, wollen diese Informationen von uns wissen. Uff, aber es geht recht zügig und ohne Durchsuchung vonstatten. Bemerkenswert finde ich, dass nur einer der beiden Zöllner ein Basis-Englisch spricht und versteht.
Nachdem wir also alle Formalitäten erledigt und die tolle Dusche hier genossen haben, suchen wir eine Tapas-Bar. Wie uns Pedro prophezeite, spricht hier in Galizien keiner der Einheimischen Englisch oder versteht selbiges. Das wird lustig. Wir finden in der kleinen, verwinkelten Innenstadt ein Lokal und lassen uns mit Händen und Grimassen erklären, was das da alles zu bedeuten hat auf der Speisekarte. Die Hälfte der Tapas fällt schon mal raus, weil es sich um Muscheln, Tintenfisch und Gambas handelt – alles nicht unser Ding. So bleibt uns nur, Tortilla (Rührei mit Kartoffelscheiben!), Kroketten, Fleischspieß und Chorizowurst, gereicht mit leckerem Weißbrot zu bestellen. Wir probieren alles und finden es genießbar.
Dann lernen wir noch den Einhandsegler Hans kennen, der es seit Mai 2016 mit seinem Boot „Snowball“ 3 Monate bis in die nächstgelegene Bucht „Arosa“ geschafft hat und sich morgen mit Südwind auf den Heimweg macht. Er hat zumindest einen Spanischkurs belegt und hilft uns ein wenig bei der Bestellung und anschließenden Bezahlung. Die ältere Spanierin, die uns bedient, ist zum Glück auch eine der mütterlichen Sorte und findet uns lustig. So wird Manfred sogar genötigt, den Rest Tortilla mitzunehmen, weil er anscheinend so unterernährt daher kommt (kann mir nicht passieren „lach“).
Samstag, 11.6.2016 und wir können ausschlafen! Toll. Bei Sonnenschein frühstücken wir in aller Ruhe und beobachten, wie ein ebenfalls gestern eingelaufenes holländisches Eignerpaar schon seine Wäsche aufhängt. Hmh, die haben wohl einen besseren Wetterbericht als wir, denke ich mir so. Und sie sollten Recht behalten. Wir müssen unsere Wäsche nach 2 Wochen auch mal wieder durchspülen und trotz Trockner (die nie richtig dolle funktionieren), geht die Challenge mit dem Wäschetrocknen in die nächste Runde. Nur, heute verlieren wir. Zum Glück halten die Ikea-Tüten dicht und wir warten, bis es wieder trocken wird. So what – wa?
Zwischen den Waschgängen wandeln wir durch das verwinkelte Muros, bewundern die vielen echt romanischen Kapellen und Kirchen (etwas) und finden in einer Pastelaria richtige Kalorienbomben. Läcka – wie der Schwede sagen würde.
Morgen zockeln wir dann in aller Ruhe weiter die spanische Küste mit den vielen, an Norwegen erinnernde Fjorde, runter. Dabei wird das Wetter in den kommenden Tagen nicht sooo schön sein. Trotzdem genießen wir das spanische Ambiente, die vielen freundlichen Menschen auf der Straße und die prächtigen Ausblicke hier.
Bleibt bei uns auf unserer Reise - wir freuen uns auf Eure Kommentare!
Hasta luego (oder so)
Auriga
Manfred + Ute
PS.: Ein ganz herzliches Danke Schön an alle bisherigen Kommentatoren. Das Antworten auf jeden einzelnen Beitrag ist nicht so einfach (Internet), aber wir freuen uns über jede Resonanz!