22. - 28.6.2016
Unsere Neugier treibt uns weiter, obwohl Bayona sicher noch ein bis zwei Hafentage mehr verdient hätte. Wir wollen nach Portugal, genauer nach Viano do Castelo. Wie der Name schon sagt, beherrscht eine große Burg auf einem hohen Hügel die zum Teil sehr gut erhaltene und mit engen Gassen versehene Altstadt. 30 Seemeilen sind es, die wir mal motoren und mal segeln, bis es kurz vor der Flußmündung des Ria Lima, an dem Viana do Castelo mal gebaut wurde, wie blöd anfängt zu wehen. 5-6 Windstärken wie aus dem Nichts. Zusammen mit der für Portugals Häfen in den sehr engen Flussmündungen, die häufig bei hohem Seegang (aber was heißt schon hoch, wo fängt der an?!) nicht anzulaufen sind, macht mich die Situation so nervös, dass wir das Niedergangsschott einsetzen und alles aus dem Cockpit entfernen, was nicht niet- und nagelfest ist. Dies erweist sich zum Glück als überflüssig, die Nordmole reicht weit genug ins Meer rein und es ist ein sanfter Anstieg der Wassertiefe zu verzeichnen. Trotzdem: Vorsicht ist an dieser Küste geboten, haben doch schon viele Segler ihr Schiff und zum Teil auch ihr Leben bei der Einfahrt in die Hafenmündungen verloren.
Wir legen direkt im Fluß Ria an, da der Hafen bereits belegt ist, unter anderem auch von PRETTIEST STAR.
Der Bummel durch die Stadt entlockt mir Rufe des Entzückens. Wirklich schön ist es hier und lässt eine Ahnung aufkommen, wie die Fischerstädtchen früher einmal ausgesehen haben müssen. Selbstverständlich werden diese Städte von modernen Schnellstraßen, Hochhäusern und den üblichen Vorstadtsiedlungen umzingelt. Die Innenstadt mir ihren vielen, äußerst barock ausgeschmückten Kirchen, den vielen Kacheln an den Hauswänden (auch Azulejos genannt) begeistern uns. Ebenso haben wir den Eindruck, dass die portugiesische Küche uns besser zusagt, als die doch ziemlich fettigen Tapas. Trotzdem gibt es diesen Abend seit langem erst mal wieder Bratkartoffeln mit Spiegelei, während nebenan beim Public viewing ordentlich für die portugiesische Nationalmannschaft mitgefiebert (und später auch gefeiert) wird.
Der Donnerstag ist nebel- und nieselverhangen. Trotzdem heißt die Challenge: Wäsche waschen und trocken kriegen. Wir hängen die ohnehin noch ziemlich nasse Wäsche auf und hoffen, dass der Nieselregen von der Sonne besiegt wird. Dann macht sich Manfred auf, die 1955 gebaute „Gil Eannes“, ein Hospitalschiff für die portugiesischen Kabeljaufischer im Eismeer zu besichtigen. Ich bummele derweil allein durch die engen Gassen und gönne mir den superleckeren hiesigen Kaffee mit Milch (Suchtfaktor 9 auf der nach oben offenen Suchtskala!).
Dann beschließen wir, den nunmehr doch noch sonnigen Spätnachmittag für eine Fahrradtour entlang des Flusses zu nutzen. Die Wäsche flattert auch alleine im Wind und schnell sind die kleinen Fahrräder aus der Backskiste geholt. Nur leider haben wir keine Karte und wissen somit nicht, dass der im Reiseführer angepriesene Fahrradweg entlang des Flusses wohl erst erheblich weiter flussaufwärts startet. Wir strampeln uns (mal wieder) die Beinmuskeln heiß und fahren nur durch einige Vorstadtorte. Bald siegt dann sogar unsere Einsicht über unseren Dickkopf und wir kehren um. Es sei allen Nachahmern nicht geraten, an der Hauptstraße entlang mit dem Fahrrad zu fahren… lebensgefährliche Überholmanöver treiben mir einige Male den Schweiß auf die Stirn. Selbigen können wir dann am Nordstrand von Viana bei Eistee und Kuchen trocknen lassen. Es gibt eben Touren, die nur im Nachhinein einen gewissen Erinnerungswert erhalten…
Freitag segeln wir tatsächlich mit getrockneter Wäsche weiter: Póvao de Varzim soll auch ganz nett und gut anzulaufen sein, so versichert man es uns im Hafenbüro von Viana. Grundsätzlich weht an dieser Küste mindestens ab mittags ein strammer Wind aus Nord – mindestens mit 4 Windstärken, 6 sind aber auch normal. Hinzu kommt die durchaus beachtliche und nahe an der Küste auch konfuse Dünung. Heute sind es denn mal 2 m. Ich gebe zu, mir haben die Rias in Nordspanien besser gefallen, Tapas hin oder her!
Dieses Mal erreichen wir eine halbe Stunde vor Ankunft der Hafeneinfahrt das Hafenmeisteramt bzw. die Hafenmeisterin, die uns versichert, dass die Einfahrt heute ganz normal möglich ist. Das tut insbesondere mir ganz gut. Póvoa de Varzim an und legen ein flottes Anlegemanöver gegen den Wind hin. Lediglich die Fender wollen immer wieder nach oben wegflutschen. Aber das regelt man denn eben zwischendurch. Hier in diesem Ort wird der Sao Joao tagelang gefeiert. Ich glaube, bei uns heißt der Tag Johannistag und dauert auch nur einen Tag. Hier werden alle Fenster geschmückt und aus vielen (!) Lautsprechern der Stadt erklingen traditionelle Weisen. Dieser Ort ist gänzlich anders als Viana – mehr ein Badeort mit Promenade, Casino und einer schicken Fußgängerzone. Auch positiv fällt auf, dass die Portugiesen die für uns ungewohnte Siesta von 14 bis 17 Uhr nicht kennen. Hier kann man ganz wie in Deutschland auch einkaufen oder eine Kleinigkeit essen gehen, ohne wie in Spanien dauernd auf die Uhr schauen zu müssen.
Abends geschieht dann endlich das Unfassbare: wir grillen! Seit Wochen fasele ich Manfred die Ohren voll, dass ich gerne mal wieder grillen möchte und habe vorsorglich fertig marinierte und vorgekochte Rippchen (seit geraumer Zeit) im Kühlschrank. Hier finden wir die Gelegenheit. Zugegeben ist der Ausblick auf diverse aufgebockte und zum Teil aufgegebene Schiffe nicht atemberaubend, aber die Sonne kann auch hier ungehindert ins Meer plumpsen. Dann schauen auch noch David und Gill um die Ecke mit einer Flasche Portwein und der Abend kann beginnen. Da es recht bald kühl wird, verziehen wir uns an Bord von AURIGA. Bei Kerzenschein und Portwein lässt sich herrlich plaudern.
Am Samstag, 25.6.2016 steht der Besuch der Stadt Porto am Fluss Douro an. Wir steigen ganz bequem in die S-Bahn in Póvoa ein und in gut einer ¾ Stunde sind wir schon da. Tolle, mit sehr viel Stuck und Schnörkel verzierte Bankhäuser, Geschäfte und Kirchen lassen uns wieder mal mit dem Blick nach oben durch eine neue Stadt wandern (daran erkennt man wohl auch Touristen?!). Am besten gefallen uns der Bahnhof mit seiner aufwändig gekachelten Warte-/Wandelhalle und das ehemalige „IHK“- Gebäude (Name habe ich vergessen). In letzteres wären wir gern gegangen, da es aber nur mit einer Führung möglich war und die anstehende auch noch in Französisch war, sind wir denn doch weiter gegangen.
Und dann begehe ich mit meinem Vorschlag den Fehler des Tages: Touristenbus fahren! Haben wir noch nie gemacht, sollte unsere Premiere und „Derniere“ sein. Ein gelber Bus ohne Dach, so dass die ganze Zeit die Sonne die Kopfhaut rösten kann, Erklärungen aus Knopfhörern (die nie bei mir im Ohr halten) von einem Übersetzer mit grauenhaftem Deutsch zu unauffindbaren Gebäuden und zu guter Letzt, weil es so schön ist, in sengender Hitze mitten in der Stadt rumzustehen, ein Stau. Grund ist ein Baukran, der mit seinem Hinterteil in die Straße rein ragt. Wir sind der 1. von ca. 6 Touribussen, die vor sich hinmorcheln. 3 Stunden Zeit, die wir besser hätten nutzen können, sind dahin und wir ärgern uns gewaltig. Ich bin durstig, müde, genervt und verschwitzt. Trotzdem wagen wir uns in das Getümmel am Douro. Hier ist das Altstadtviertel „Ribeira“ und zu Wasser wie zu Lande ist an diesem Samstag alles unterwegs, was Beine hat, Haut oder Motorkraft zeigen will. Mir reicht es recht schnell und mit müden Beinen geht es steil bergauf (durch steile Gassen, haha) grobe Richtung S-Bahn Station. Na gut, wir müssen wieder hügelab und haben somit die Beine etwas umsonst angestrengt.
Zurück in Póvoa geht es nur noch in eine Sports Bar und die portugiesische Variante eines Burgers wird von Manfred verputzt, Francesinha heißt das und besteht aus 2 Toastscheiben, zwischen denen eine Scheibe Fleisch, eine Scheibe Wurst und Käse geschmolzen werden. Darüber wird ein Spiegelei gelegt und eine relativ schmackhafte rosa Tomatensoße gegossen. Praktischerweise kann man damit auch gleich alle lebendigen Pommes ertränken. Wir sehen das „Gericht“ bei vielen auf dem Teller liegen. Da heute aber auch noch Portugal gegen Kroatien (?) spielt und das „Restaurant“ an Lautstärke gewinnt, machen wir uns endgültig auf den Heimweg. (Der „Hamburger“ wurde überlebt!)
„Sonntag sollst du ruh‘n, sprach das Huhn“ Fast so machen wir es auch. Allerdings ist die Bettwäsche mal wieder dran, ich will endlich meine Muffins backen und die Toiletten sind auch für eine gründliche Reinigung fällig. Ebenso kümmern wir uns mit einiger Geduld um den in der Bilge unterm Motoraum zusammengelaufenen Schmodder (Hauptsächlich Diesel von der SEPRA-Filterinstallation im Winter). Natürlich kommt keine Sau an diese Vertiefung ran, wir zunächst auch nicht, mit nix nicht. Dann kommt Manfred auf die zündende Idee, den Schlauch und die Pumpe von der Ölabsaugpumpe einzusetzen. Hat geklappt auch die Muffins sind fertig. Und wir verbringen den Restnachmittag faul im Cockpit.
Abends sind wir eingeladen. David und Gill von der PRETTIEST STAR werden ihr Schiff hier liegen lassen, um für einige Zeit zurück nach Hause zu fliegen und wir wollen morgen 130 sm weiter nach Süden. Daher wird es ein Abschiedsabend, der uns allen nicht leicht fällt. Man gewöhnt sich schnell daran, nach dem befreundeten Schiff Ausschau zu halten und sich auf die 2 „Brexits“ zu freuen. Wir werden ordentlich mit Champagner, Käse und spanischem Schinken verwöhnt. Dabei verplaudern und verlachen wir auch den letzten Abend. Via Facebook werden wir jedoch den Kontakt pflegen können, so hoffen wir.
Montag um 9 Uhr legen wir ab, setzen rückwärts zur PRETTIEST STAR und werden ein letztes Mal gegrüßt. Los geht’s auf das blau glitzernde Meer. Wir haben den ganzen Törn bis nach Peniche beständigen Wind aus Nord zwischen 14 und 21 Knoten. Mit dem Ausbaumen des Yankees und Schoten der Fock zur anderen Seite nach außen über den Mittelpoller halten wir AURIGA damit gut in Fahrt. Es waren im Schnitt rund 6 kn, da wir ca. 130 sm (kleiner Schlenker außen rum um die Berlenga-Inseln) in 23 Stunden schaffen. Die Dünung inkl. Windsee beträgt so gefühlt zwischen 2 bis 3 m. Wäre sie gleichmäßig, gäbe es nichts zu meckern. Ist sie aber nicht. Wir vergleichen den Seegang mit der Elbemündung bei NW 6 und Gegenstrom. Tagsüber kann man die Bewegungen des Schiffes relativ gut auffangen, aber nachts… ich hopse und rolle in meiner Salonkoje trotz Leesegel wie in einer Achterbahn. An Schlaf ist fast nicht ranzukommen. Manfred kann das besser und ich beneide ihn glühend um diese Fähigkeit. Dankenswerterweise übernimmt er meine Wache aber eine Stunde früher als geplant und lässt mich bis 6.30 Uhr in meiner Koje liegen. Schön ist der Sternenhimmel ca. 20 Meilen entfernt von der Küste. Die tanzende Mastspitze mit der Dreifarbenlaterne zu beobachten, ist ein wirklich besonderer Moment und wiegt einige Widrigkeiten durchaus auf. Ob aus mir jedoch noch eine echte Blauwasser-Braut wird, stelle ich zum jetzigen Zeitpunkt stark in Frage. Die wahren Seestücke warten noch auf uns: Donnerstag, 30.6. geht’s los nach Madeira (ca. 4 Tage) dann nach rund einwöchiger Pause weiter zu den Azoren (ca. 4 Tage) und das längste Stück von den Azoren nach Südengland mit ca. 10 Tagen werden es zeigen!
Aber zurück zum Dienstag, 28.6.. Nach dem wohlverdienten Frühstück geht es für Manfred erst mal in die Koje, Schlaf nachholen, derweil ich zum Hafenmeister laufe und das Anmeldeprozedere sowie die üblichen Fragen kläre (Türchip zur Marina, die hier alle! verschlossen sind, WLAN, Supermarkt und Stadtplan…) Mittags sind wir soweit restauriert, dass wir den Rucksack für einen Strandbesuch planen. Jedoch, es weht zu stark und auch sehr kalt. So treibt uns wieder mal unsere Neugier rund um die Halbinsel von Peniche. Die zerklüftete Steilküste mit tosender Brandung fasziniert uns. So wandern wir die Straßen immer an der Küste lang, bis wir zum großen Strand von Peniche gelangen. Hungrig fallen wir in einer hübschen Strandbar über unser Sandwich und … natürlich mit Pommes und Bier her. Peniche wurde in vormaliger Zeit von 2 Forts beschützt, die durch eine Stadtmauer verbunden waren. Reste davon sind noch erhalten. Hingegen gibt es hier wie überall an diesen Küsten viele verfallene alte Stadthäuser. Und der weitläufige Fischereihafen jenseits der alten Stadtmauer ist zwar weit weg, seine Gerüche wehen trotzdem gelegentlich um unsere Nasen. Wie auch zu Hause an unserem Wohnort liegen hier die schönen und hässlichen An/Ausblicke sehr nahe beieinander.
Wenn ihr demnächst nun längere Zeit keine neuen Informationen in unserem Blog lesen könnt, dann begründet sich das durch unsere nun vor uns liegenden längeren Seestücke. Wir haben nicht den Ehrgeiz, den Blog via Iridium zu pflegen... Wir holen es dann beizeiten nach – versprochen!
Eure
Manfred + Ute
SY Auriga