Eigentlich hätten wir vor lauter Erlebnisse gar keine Zeit, diesen Blog zu schreiben und wären lange auf See und der Suche nach weiteren Abenteuern, aber unser ungebetener Gast Corona hat uns vorläufig ausgebremst. AURIGA dümpelt in Hitzestarre mit gebautem Sonnensegel in Lorient und wartet darauf, dass Manni fit ist und nicht mit jedem Segelmanöver nach einem Sauerstoffzelt verlangt und Ute mit Geschmack kochen kann. Wird schon wieder…😊
Aber jetzt der Reihe nach:
Mit Manni´s Rückkehr an Bord verabschiedet sich Cherbourg mit einem kleinen Regenschauer. Bei Südwind segeln wir weiter nach Alderney, das „Race“ ist recht gnädig mit uns und in Alderney finden wir eine geschützte Mooringtonne. Da wir die EU verlassen, müssen wir einen kleinen Zettel für die Immigration ausfüllen und in einen alten Postkasten werfen, ansonsten scheint den Brexit hier keinen zu interessieren. Das Prozedere ist exakt das gleiche wie vor dem Brexit, als die Kanalinseln bereits einen Sonderstatus (zollfrei) hatten. Wer blöd auffallen will, setzt die Flagge Q - natürlich vorwiegend Deutsche und ein paar Niederländer, den Franzosen interessiert das alles herzlich wenig.
In der Stadt Saint Anne gönnen wir uns einen Kaffee und ordern E-Bikes für den nächsten Tag, ehe wir vom Hafen aus mit der Alderney Railway & Co Ltd. mit einer alten Rangierlok und einer London-Underground vom Hafen zum Steinbruch und zurück über die wunderschöne Insel zuckeln. Die Bahnlinie stammt aus der Bauzeit der riesigen Mole 1846-1864 und wird jetzt ehrenamtlich betrieben. Worum eine ausgemusterte London-Underground? Die Züge sind klein genug, um durch die Vorgärten zu passen und aus Aluminium, alles aus Stahl rostet hier schneller, als die Ehrenamtler das pflegen könnten.
Am nächsten Tag machen wir eine gemütliche Inselrundfahrt und sind froh, dass auf und ab nicht mit unseren Falträdern angegangen zu sein, selbst die E-Bikes müssen an manchen Steigungen geschoben werden und wir sind glücklich, dass uns auch dabei der Akku hilft. Nach dem ersten halben Dutzend alter und im Zweiten Weltkrieg weiter verstärkten (wo hatten die Deutschen eigentlich den ganzen Beton her?) Befestigungsanlagen sowie phantastischen Ausblicken über Land und Meer picknicken wir am Strand und bringen dann unsere Fahrräder zurück.
Für die Weiterfahrt nach Guernsey gibt der Strom den Takt vor, denn durch das Fahrwasser „The Swinge“ NW-lich von Alderney gehen vernünftige Leute bei Stauwasser, allen anderen empfehlen wir, vorher einen Rafting-Kurs zu belegen. Hoch ran gegen W 5 segeln wir bis Guernsey, wo kurz vorm Hafen dann doch noch Deckwaschen angesagt ist - 5kn Strom über felsigem Grund sorgen hier für zehn Minuten Abenteuer - dabei bloß nicht an der Hafeneinfahrt vorbetreiben. Wir kommen mit der ersten Flut an und können Diesel bunkern (ca. 1,20 € / Liter), bevor wir am Wartesteiger auf Hochwasser warten, um über das „Sill“ in den Hafen St. Peter Port zu fahren - Ute bezeichnet diese hier übliche Konstruktion treffend als Infinity-Pool. Übrigens wollten wir eigentlich nach Jersey, aber der Hafen wird komplett modernisiert und steht erst später im Jahr wieder zur Verfügung.
Da wir die Insel schon mehrfach besucht haben, verbringen wir die Zeit entspannt mit etwas Haushalt, Wandern und Bus-Rundtour, dazwischen Scones und Cream-Tea. Bei einem versuchten Kneipenbesuch stellen wir fest, dass auch hier die Plakate mit der Ankündigung von Live-Musik noch aus der Vor-Corona-Zeit kommen.
Dann laufen wir bei hoher Dünung und W 3-5 mal wieder hoch am Wind - wer sagte: „Gentlemen never go windward“? der Bretagne entgegen. Der Schlag passte genau in den Fluss Jaudy, wo wir kurz vor Tréguier in einer Flussbiegung unter hohen Klippen den Anker werfen. Einige Diskussionen später über die acht Meter Tidenhub und dazu erforderlichen Kettenlängen liegen wir bei Flaute und Sonnenschein in absoluter Stille - welch ein schöner Kontrast zum Segeltörn hierher! Am nächsten Tag bringt uns dann unser Beiboot DAISY nach Tréguier mit großer Kathedrale und bretonischen Häusern, ehe wir Anker auf gehen, um nachmittags nach Perros-Guirec weiter zu segeln.
Von Perros-Guirec müssen wir natürlich den spektakulären Sentier de Dournier (Zöllner Pfad) bis Ploumanac´h mit tollen Ausblicken über die Côte de Granit Rose erwandern und uns dort mit Waffel und Eis belohnen. Es ist nun Anfang Juli und damit Hauptsaison und entsprechend viel los, kein Vergleich zu unserer Reise in 2016, wo wir Ende Mai hier waren.
Mit Roscoff erreichen wir - hoch am Wind aber bei nur 2-3 Bft und glatter See - einen großen beim Fähranleger neu gebauten Hafen, der als einer der wenigen Häfen an der bretonischen Nordküste Tide-unabhängig ist. Hafenmeister in RIBs verteilen die ankommenden Gäste - und schieben die weniger geübten gleich in die Box, damit der Nachbarlieger heil bleibt. Die kleine, gut zwei Kilometer entfernte Altstadt von Roscoff erreichen wir per Bordfahrrad. Die Stadt selber hat einen alten Hafen, der aber trockenfällt.
Langsam nähern wir uns der Westspitze der Bretagne. Nach Roscoff legen wir einen Zwischenstopp in L’Aber Benoit ein, wo wir eine ruhige Nacht an der Mooringtonne verbringen. Manni hat bei ca. 17°C Wassertemperatur heute zum ersten Mal gebadet. Sobald wir die Küste nach Süden kommen, wird die Wassertemperatur auch Ute gefallen…
Was als mal eben um die Ecke fahren gedacht war, entpuppt sich am nächsten Tag als Geduldsspiel, die Tide kommt später, als der Reeds versprochen hat. Dazu baut sich die Atlantikdünung sogar auf 50 m Wassertiefe zu üblen Klatschewellen auf. Dazu gibt es wenig bis keinen Wind von hinten. Toll! Noch besser ist, dass ein lokaler Franzose den Braten natürlich gerochen und ab Benoit einen kaum bezeichneten inneren Schärenweg gesegelt ist. Ohne Schaukelei segelt er dann vier Seemeilen voraus. Wir sind ihm natürlich per AIS auf den Fersen geblieben und kennen jetzt sein Geheimnis. Nächsten Mal heißt es dann auch für uns: Schärensegeln für Erwachsene…
Eigentlich wollten wir am nächsten Tag in der Rade de Brest einen Ankerplatz suchen, aber die waren schon über die Massen belegt und versprachen deshalb keine ruhige Nacht vor Anker, also segeln wir gleich weiter nach Camaret Sur Mer. Hier beginnt das Sommerwetter, wir wandern, genießen Baden am Strand und segeln mit unserer DAISY in der Bucht rum. Am Strand hat dann endlich Utes Friseursalon geöffnet und Manni kann wieder ins Wasser tauchen, ohne dass ihm die Haare im in den Augen kleben bleiben.
Mit frischem Ostwind segeln wir weiter nach Douarnanez, wo wir das Schifffahrtsmuseum besuchen. Manni hat es das erste Mal vor über 30 Jahren auf einer Sommerreise mit der EVMA besucht, als hier ein großer historischer Segelschiffsnachbau gefertigt wurde und buntes Treiben mit Reepschlägerei, Zimmerei etc. herrschte. Als wir 2008 das letzte Mal auf einer Überführungstour hier vorbeikamen, schlummerte die Ausstellung bereits im Dornröschenschlaf, diesmal gab eine schöne Sonderausstellung mit maritimen Kunstwerken, aber ansonsten doch eher enttäuschend. Das Highlight ist natürlich noch da, ein bezauberndes kleines Dinghi, von welchem unser Beiboot den Namen DAISY geerbt hat.
Zurück am Hafen erwarten und Utes Bruder und seine Frau. Die beiden machen derzeit wie wir Campingurlaub in der Bretagne, allerdings mit ihrem Wohnwagen. Das Treffen wird noch am Abend gebührend in der Pizzeria gefeiert und wir überreden beide zu einem Segelausflug am nächsten Tag - in vino veritas. Für die Segeltour hat sich nicht nur der Wettergott voll ins Zeug geworfen. Eh wir ablegen genießen wir das bunte Treiben im Hafen, wo gerade die Europe-Weltmeisterschaft stattfindet und in der Segelschule viele Kinder ihre ersten Segelversuche unternehmen. Dann segeln wir bei leichtem Landwind eine Stunde rüber zu einem der vielen Strände, ankern hier, baden und genießen den Tag unterm Sonnenzelt. Nachmittags kommt pünktlich der Seewind und bringt uns wieder in den Hafen zurück. Der sportliche Teil folgt abends mit dem Klapprad, um auf dem Campingplatz zu grillen, der in irrsinniger Höhe auf einem Berg liegt. Zurück geht es dann mit beginnendem Plattfuß bei Mannis Rad - grmpff.
Ausflug mit Familie
Von Douarnanez müssen wir wieder mit der Tide planen, um das Raz de Sein zwischen Festland und der Ile de Sein mit Stauwasser zu passieren. Ute fühlt sich nicht fit und hat leider einen positiven Coronatest, Manni kauft noch schnell ordentlich ein und bei ganz leichtem Wind macht er eine kleine Wettfahrt mit einem Mini - wenn man in das nächste Windfeld motort, gewinnt man 😊 - während Ute Ruhe verordnet bekommt. Wir erreichen genau passend das Raz de Sein, wo der Wind endgültig einschläft. Unter Motor fahren wir nach St. Evette, die große Mole mit Mooringfeld vor Audierne, wo wir nachmittags an einer der letzten freien Mooringtonnen festmachen.
Den nächsten Tag ist Manni auch nur noch begrenzt fit, aber wir segeln weiter und legen uns bei den Glenan-Inseln zur Quarantäne auf Anker - es gibt eindeutig schlimmere Orte, um sich auszukurieren. Auf dem Weg dorthin begleiten uns unzählige Delfine und kommen immer mal wieder zu Besuch, um mit AURIGAs Bugwelle zu spielen, jedes Mal ein wunderschönes Schauspiel. Bei der Ankunft müssen wir uns unseren Weg durch die Segelschüler bahnen („Hast Du den Stein voraus im Blick - nein, das ist nur mal wieder ein gekenterter 29er…“), liegt nicht auf den Glenan-Inseln die bekannteste Segelschule Frankreichs. Für jede Menge Unterhaltung ist somit gesorgt, dazu Sonnenschein und kristallklares Wasser. Ute geht es schon langsam wieder besser und sie erkundet die Inselwelt mit dem Beiboot, für Manni reicht es nur für eine kurzes Erfrischungsbad.
Von den Glenan-Inseln segeln wir weiter nach Lorient, wo wir vorerst liegen bleiben werden, da wir nach überstandenem Corona eine Woche nach Hause müssen.
Corona überstanden... weiter geht's
Wir leiden sehr unter den Corona Folgen wie Fieber, Mattigkeit und Schnupfen bei der derzeit vorherrschenden Hitze. Aber nach 3-4 Tagen geht es soweit wieder gut, dass wir nach Port Louis, 3 sm flussabwärts der Lorient Mündung „übersetzen“ können. Diese Marina mit dem kleinen Ort gefällt uns sehr gut, zumal es hier nicht ganz so heiß wie im Stadthafen ist. Dann geht es wieder zurück nach Lorient wo wir uns und Auriga auf die 5-tägige Abwesenheit vorbereiten. Und wir nutzen die Zeit, um uns in „La Base“ die neue Malizia/Seaexplorer von Boris Herrmann anzuschauen. Außerdem entdecken wir vor unserer Abreise noch weitere sehr schöne Strände wie L’Armour Plage und die Kerguelen.
Inselankern und der Golf von Morbihan
Am Donnerstag, 28.7.2022 sind wir glücklich, wenn auch etwas erledigt von den jeweils 15 Stunden Zugfahrt wieder an Bord in Lorient. Gleich mit der Abendtide verlassen wir den Stadthafen und legen uns bei der Insel Groix vor Anker. Von dort segeln wir weiter Kurs Südost und laufen mit der ersten Tide in den Golf du Morbihan. Es ist Freitagabend und gefühlt ganz Frankreich auf dem Wasser, so dass die möglichen Ankerbuchten entsprechend voll bzw. mit einheimischen Mooringtonnen belegt sind. Da wird es mit 2m Tiefgang schnell knapp an möglichen Ankerplätzen. Wir versuchen eine geschützte Ecke zu finden, aber auch hier läuft der Strom mit 2kn und drückt uns gegen den auffrischenden Wind. Also Anker auf und tolle Sightseeingtour um die Inselchen. Es sieht aus wie die Ostschären, nur mit 3-5 m Tidenhub und mehr als 6kn Strom fegt um die Ecken. Wir finden dann noch eine Mooring bei Port Blanc, wo wir für 41,-€ (inkl. RIB-Shuttle, unser 2PS Motor wäre bei den Stromschnellen eh heillos überfordert) übernachten können.
Weiter geht die Reise zur Ile de Houat, wo wir über grobem Sand ankern, karibische Verhältnisse und die kleine Insel genießen.
Kommentar schreiben
Heike (Samstag, 16 Juli 2022 18:41)
Toller Bericht und grandiose Fotos!!! Aber jetzt nicht nur dann bloggen, wenn die Seuche zuschlägt, ja?! Weiterhin gute Genesung und best Wishes from the Fishes
Lummi (Freitag, 05 August 2022 15:45)
Es liest sich bis auf die „ Corona-Störungen „ einfach wunderbar �.
Bleibt gesund und weiterhin viel Spaß und tolle Erlebnisse.
Viele Grüße,
Lummi und Thekla
Klaus (Mittwoch, 10 August 2022 15:30)
Toller Bericht und schöne Fotos. Wir verfolgen AURIGA und SUNRISE fast täglich und beneiden Euch.
Genießt die Zeit und bleibt gesund.
Viele lebe Grüße aus Glückstadt
Ingrid & Klaus