Es wird sommerlicher und die kurzen Hosen kommen raus
1.6.2021 erleben wir eine anstrengende Radtour auf Öland – selbst schuld, wenn man mit Rückenwind startet. Die Burgruine Borgholm ist dann auch noch geschlossen wie auch das angrenzende Café.
Am folgenden Tag geht es zurück zum Festland: Figeholm, ein kleines Fischereiörtchen, haben wir uns ausgesucht. Auch hier wartet der Hafen noch auf seine Gäste. Da wir nur mit einer speziellen App bezahlen können, die wir erst runterladen und uns dann registrieren müssen, entschließen wir uns kurzerhand, zu ankern. Eine kleine Bucht gleich in der Nähe stellt sich als Paradies heraus. Nur die Gänse und Schwäne, die sich gegenseitig die besten Plätze streitig und dabei Lärm machen, stören die Ruhe.
Weiterhin ist es beim Segeln recht frisch – schnell hat man wieder die dicken Socken und langen Hosen an. Die nächste Ankerbucht finden wir bei Skardö, eine Nachbarbucht, die Manfred vor ca. 30 Jahren mit einem guten Freund aufgesucht hatte. Auch hier genießen wir idyllische Natur und die absolute Ruhe. Weiter geht es am Freitag, 4.6.2021, schöne Schärenfahrwasser nach Västervik. Im neu erstellten Yachthafen Slottsholmen kommen wir fest und können sehr komfortabel unsere Wäsche waschen. Die Sonne scheint und auch diese kleine Stadt erweist sich als Juwel. Rund um das Hafenbecken gibt es viele nette Restaurants, Urlauber wie Västerviker bummeln mit einem Eis in der Hand oder schauen sich von einer Parkbank aus das bunte Treiben an. Wir genießen ebenfalls den tollen Sonnenuntergang und die vielen Autoposer, die es auch hier gibt. Am Samstag ist es schon früh ziemlich warm – wir wollen daher zur Außenschäre Händelop, um vielleicht die Füße ins Wasser zu stecken. Fahrradtouren sind ähnlich wie segeln: 1. Gesetzt: man weiß nie, was einen erwartet. 2. Gesetz: vermeintliche Abkürzungen sind häufig der längere Weg oder mit Qualen verbunden. Auch wir erleben dieses heute wieder: nur weil uns Google-Maps an der Hauptstraße entlang lotsen will, biegen wir in den Wald ab. Zwar entdecken wir einen schönen Badesee (ist aber noch zu früh für einen Schwimmversuch), müssen uns dann aber schiebenderweise zur Hauptstraße zurück arbeiten. Beim nächsten, steil ansteigenden Hügel war meine Motivation zur Weiterfahrt verschwunden, aber nun kommt das 3. Gesetz: Manni hat immer noch ein Argument in petto, mit dem er mich überreden kann. Also weiter geht’s. Der Fischereiort Händelöp stellt sich als Bretterbudenansammlung und einem kleinen Hafenbecken mit einigen Fischerbooten heraus. Wir machen trotzdem unsere wohlverdiente Pause auf den Schärenfelsen, wo schon etliche Schweden die Sonne genießen. Der Rückweg an bzw. auf der Hauptstraße entlang war denn gar nicht so schlimm wie auf den Hinweg befürchtet.
Gotland ist unser "Goto"-Ziel im Plotter
So, am Sonntag, 6.6.2021, wird unser langgehegter Traum, Gotland, als „Goto“ Punkt auf dem Plotter eingetragen, genauer: Visby. Nach gut 10 Stunden und nur 23 Seemeilen motoren sowie 31 sm segeln bei schwachen Winden aus nördlichen Richtungen kommen wir an. Herrlich! Die Sonne scheint auf die malerische Hafenzeile und die Altstadt, die sich dahinter schon abzeichnet. Nach einem kurzen Bummel gönnen wir uns ein Abendessen direkt am Hafen. Fisch-Taco und Rindfleisch-Taco, sehr lecker und mal was anderes.
Aber auch hier wird der Stadthafen jeden! Abend von lärmenden Auto- und Motorradposern umrundet und beschallt.
Am Montag besuchen wir den botanischen Garten in Visby und laufen einmal die ganze alte Stadtmauer ab. Manno, was haben sich die Menschen früher anstrengen müssen, ihren bescheidenen Reichtum zu schützen, denken wir. Und noch nie haben wir so viele Kirchenruinen in einer Stadt gesehen, wie hier in Visby. Nur noch eine Kirche ist intakt und wird aktiv besucht, das andere Dutzend ist verfallen. Wenn das man nicht symptomatisch für die Institution Kirche ist? Auf jeden Fall genießen wir die leeren Gassen – wir vermissen die Kreuzfahrttouristen nicht, auch wenn die eine oder andere Gastronomie mangels Besuchern geschlossen ist. Nach dem Besuch der Touristen-Info haben wir auch eine Karte von Gotland und einige Adressen von Autovermietungen. Manfred mit seinem perfekten Englisch hat die Ehre, telefonisch ein Auto für 2 Tage zu bestellen. Wir haben uns für einen sehr günstigen Anbieter entschieden, der alte Autos anbietet.
Wir machen uns somit am Dienstag und Mittwoch mit einem alten, aber zuverlässigen Toyota Corolla auf, zumindest einen Teil der Insel zu erkunden. Zunächst geht es in den Nordosten: die Furliden sind ein schönes Naturreservat. Auf dem Weg nach Farösund kommen wir an den ersten Raukar-Steinen vorbei. (Wikipedia liefert eine bessere Definition als ichJ)
Mit der kostenlosen Fähre setzen wir über zur Insel Farö, um hier an der Westküste im Diggerhuvuds-Natur-Reservat die wirklich großen Raukar-Steine zu bestaunen. Ebenfalls ein sehenswertes Highlight sind die vereinzelt direkt am Strand befindlichen Fischerbuden (wir beschauen uns Helgehamnen), die bis vor ca.100 Jahren von den örtlichen Bauern genutzt wurden, um mit Fischfang im Frühjahr und Herbst ihr mageres Einkommen aufzubessern. Wir sind beeindruckt, mit welch‘ kleinen Booten direkt vom Strand aus in See gestochen wurde.
Zurück geht es an der Nordost-Küste entlang bis Visby. Auf dem Weg nach Hause halten wir immer mal wieder an und finden überraschend schöne Ecken. So zum Beispiel eine Schutzburg (Fornburg) aus der Eisenzeit, von der zwar nur einige zertrümmerte Steine im lichten Wald zu sehen sind, aber die Vorstellung, dass bereits vor 3000 Jahren die Menschen sich vor Überfällen von See zu schützen wussten, ist beeindruckend. Der Ausblick auf die dazugehörige Bucht ist ebenfalls atemberaubend.
Auf Gotland gibt es sogar eine Grotte zu besichtigen… wenn sie denn geöffnet wäre. Ist sie natürlich nicht (danke Corona). Trotzdem ist die Umgebung mit einem verwilderten Wald, einer alten Steinbrücke und dem vielen Bärlauch zum Verlieben schön. Satt von den vielen Eindrücken geht es die letzten Kilometer zurück zu Auriga. Übrigens: das Landesinnere von Gotland ist ziemlich eintönig: im Norden fährt man kilometerweit durch Krüppelkiefer, Tannen und Wacholderwälder, die auf dem kargen Boden mühsam überleben. Der mittlere Teil von Gotland ist schon eher landwirtschaftlich genutzt und auch die Bäume sind hier grüner und höher. Die Dörfer bestehen zumeist nur aus 5-10 Häusern, gelegentlich steht eine Kirche auf einem Hügel. Auch Windmühlen aus alten Zeiten sind hie und da zu sehen.
Am Mittwoch, 9.6.2021, fahren wir nach der Stippvisite an der „Höga-Kysten“ zur Ostküste. Hier ist es etwas lieblicher als im Norden (wen wundert’s), kleine Fischerdörfer und sogar Sandstrände wechseln sich ab. Leider kommen am Nachmittag dicke Regenwolken auf, aber für ein schnelles Bad in der weitläufigen Buch „Sandviken“ reicht es noch. Auch hier haben übrigens die meisten Cafés und Kioske noch geschlossen. Aber aus den gestrigen Erfahrungen heraus haben wir uns mit Kaffee in der Thermoskanne und Kuchen vorbereitet: Reisen macht hungrig…
Zurück zum Festland in die Welt der Schären
Donnerstag, 10.6.2021 erscheint uns der Wind halbwegs passend für die „Rückfahrt“ zum Festland. Daraus werden dann jedoch 38 sm motoren und 21 sm Segeln. Motoren mussten wir, weil vor Gotland eine erstaunlich hackige See steht, die nicht zu den 2-3 Windstärken passte. Dann jedoch wurden wir mit schönem Segeln unter ausgebaumtem Yankee belohnt. Und noch mehr Belohnung hatten wir durch die Wahl des Anker- bzw. Schärenliegeplatzes: Gubbön mit dem Kupa oben drauf (das ist ein Steinturm, der schon seit Ewigkeiten dort steht bzw. restauriert wurde, um der Seefahrt die Navigation in die Schärenwelt zu erleichtern). Wir machen dieses Mal direkt längsseits an der Schäre fest, da sie auch unter Wasser senkrecht nach unten geht. Schnell zu Abend gegessen und dann erfrischen wir uns im recht kühlen Wasser. Auch der Kupa wird besucht: ein fantastischer Ausblick! Die Mücken beschleunigen unseren den Weg zurück an Bord.
Und weiter geht es durch felsiges Fahrwasser
Freitag, 11.6.2021 Bei zunächst sonnigem und schon fast heißem Wetter segeln wir durch die gut betonnten Fahrwasser gen Norden. Am späten Vormittag zeigen sich jedoch erste hohe Regen-/Gewitterwolken am Himmel und somit halten wir einfach mal in Arkösund an – uns hetzt ja keiner.
Auch dieser Ort scheint im Sommer stark frequentiert zu werden, nun jedoch ist alles noch geschlossen. Sogar das Hafengeld müssen wir überweisen und den Toilettencode per SMS einholen. Was es alles gibt…
Von Arkösund geht es raus aus den Schären, mal wieder freies Wasser vor dem Bug. 47sm später legen wir abends in Nynäshamn an. Eine von vielen dicken Regen-Gewitterwolken mit einer plötzlichen Winddrehung von SW auf NW und gleich mit 5 Windstärken vermiest uns etwas den Spaß beim Ankommen. Aber dank unserer Rollsegel haben wir schnell reagieren können und liegen sicher im Hafen. Nynäshamn hat eine schöne Hafenzeile, die Innenstadt hingegen enttäuscht den verwöhnten Visby-Besucher. Am nächsten Tag wird nur schnell eingekauft (Manni, behauptet, ich bin ein Nahrungsmittel-Prepper!) und weiter geht es bei böigem Nordwest und daher nur unter Yankee zur Schäre Harsö. Hier lassen wir den Anker fallen und eine Stunde später ändert sich die Windrichtung wie gewünscht und bestellt auf Südwest. Somit können wir beruhigt schlafen gehen.
Stockholm ruft - wir kommen gern!
Am Montag, den 14.6.2021 wird Stockholm angelaufen. Das breite und gut betonnte Schärenfahrwasser führt uns zu einem engen Kanal und vorbei an unzähligen, recht großen und teuer aussehenden Schärenhäusern. Bescheiden sind die Schweden nicht!
Mittags kommen wir im bekannten Wasa-Hafen an, müssen jedoch aufgrund unserer Länge von 45 Fuss am Außensteg festmachen. Dies wird uns später am Abend eine unruhige Nacht bescheren. Alle Fender liegen zur Pier aus, damit wir uns nicht den Lack am Rumpf endgültig ruinieren. Zuvor jedoch erkunden wir die Altstadt – Gamla Stan – genannt. Ebenso laufen wir noch ein Stück weit die Fussgängerzone hoch, bis es uns zu wühlig wird, Ähnlich wie in Kopenhagen ist halb Stockholm im Feierabend zum Shoppen unterwegs. Zwar wird sich strengstens an die maximale Kundenanzahl pro Geschäft gehalten, jedoch sind alle ohne Maske unterwegs – wir sind da etwas vorsichtiger.
Dienstag morgen hat der Wind zum Glück auf West gedreht und somit nicht mehr direkt auf den Steg, weht aber in den Böen auch immer noch mit gut 5 Windstärken. Trotzdem können wir im Cockpit frühstücken und Pläne für den Tag schmieden. Heute nutzen wir mal wieder unsere Bord-Fahrräder, um einen Yachtausrüster zu besuchen und die elitäre Markthalle zu bestaunen. Allerdings sind die Preise ebenfalls elitär. Gut, dass wir unser Butterbrot mithaben ;-) Schon mittags um 12 Uhr trifft sich die (ziemlich arrogant wirkende) Geschäftswelt, um in den hiesigen Restaurants mit „weißer Tischdecke“ zu Mittag zu speisen. Wir fühlen uns irgendwie wie 3. Welt Bürger, die Preise hier in Stockholm sind jenseits unseres Budgets. Macht aber nichts, wir genießen am Nachmittag die schönen Wege auf der Insel Djursgarden, wo auch der Wasa Hafen beheimatet ist. Sehr schöne Parkanlagen im Inneren der Insel beruhigen unsere Nerven, die beim morgendlichen Ausflug in die verbissen wirkende Geschäftswelt von Stockholm und dem anstrengenden Verkehr mit den hier allseits beliebten E-Rollern gelitten haben. Wir bedauern sehr, dass das Wikinger Museum, das Wrack Museum wie viele weitere sehenswerte Museen nur am Wochenende oder sehr eingeschränkt zu besichtigen sind. So würden wir gerne das Skansen-Freilichtmuseum besuchen, welches angeblich das älteste Freilichtmuseum der Welt ist. Wenn jedoch alle Inhaus-Attraktivitäten schlossen sind, macht es für uns keinen Sinn.
Was fällt uns auf?
1. Es gibt keinen Kohlrabi zu kaufen – nirgends nicht, dafür überall Pastinake oder Rote Beete… merkwürdig
2. Ohne Kreuzfahrttouristen ist die Gamla Stan in Stockholm ausgestorben, wir haben Postkartenständer mit Postkarten gesehen, die mindestens 20 Schnee/- Regenschauer aufgesogen haben und trotzdem zum Verkauf ausgestellt wurden. Viele Souvenirläden waren geschlossen oder leer geräumt.
3. Es liegt kaum Müll rum, in den Schären an den Ufersäumen gar keiner: sehr schön!
4. Corona hat uns bislang oft einen Strich durch die Besichtigungs“rechnung“ gemacht. Schade, aber das bedeutet, ein Wiederkommen lohnt sich allemal.
Kommentar schreiben