Frankreich's Badeorte: in der 2. Reihe schön!
Da der Wind in den nächsten Tagen Abends und Nachts auf bis zu 6 Beaufort auffrischen soll, beschließen wir, die nächsten Nächte lieber im Hafen zu verbringen. Pornichet und die gleichnamige Bucht werden für 2 Nächte unser Aufenthalt. Mittlerweile geht es uns wieder so gut, dass wir Radtouren machen können. Diese Gegend hier ist stark mit Sommertourismus ausgelastet. Faszinierend ist, dass sich nach den etwas abschreckenden Appartement-Hochhäusern in der 1. Reihe zum Strand viele alte Villen und Häuser aus früheren Zeiten unter hohen Kiefern-/Pinienbäumen bestaunen lassen. Die Urlauber sind zumeist am Strand, so dass wir das Radeln sehr genießen können. Selbstverständlich legen auch wir eine Badepause ein – bei dem tollen Wasser hier ohne Quallen und sonstiges lästiges Getier wäre es auch eine Schande.
"Fast"-Insel Noir-Moutiere: Häuser- und Fahrradparadies!
Dann entdecken wir die Fast-Insel (mit Brücke zum Festland verbunden) Noir-Moitier. Der Hafen „L’Herbaudiere“ ist zwar rappelvoll und wir liegen zum ersten Mal seit langem wieder in einem 5-6er Päckchen, aber der Hafenort und die Halbinsel selbst sind bezaubernd. Viele, viele kleine weiße Häuser mit hellroten Dächern und blauen Fensterläden und Türen lassen uns wundern, ob wir nicht schon in Portugal sind. Hier gibt es toll ausgeschilderte (und fast steigungsfreie) Radwege. Viele Touristen (wie wir auch) nutzen diese, um die vielen „Plages“, „Villages“, „Forets“ und die Salz-Salinen umweltfreundlich zu erkunden.
Ab ins Segelmekka: Les Sables d'Olonne und La Rochelle
Weiter geht es nach Sables d’Olonne mit ordentlicher Brise von hinten. Dabei haben wir die Insel Yeu bewusst ausgelassen – der Yachthafen soll sehr voll und sehr chaotisch sein. Die „Sunrise“ mit Gerd und Nanni bestätigen uns diese Zustände später auch. Sables d’Olonne ist in der Seglerszene berühmt, da von hier die Vendee Globe (ich sag nur „Boris Hermann“) und auch das Golden Globe starten. Wir befinden uns wieder einmal in einer sommerlichen Touristen-Hochburg, liegen aber weit weg vom Rummel im Hafen Olona. Um auch AURIGA nicht zu vernachlässigen, wird ein Vormittag für technischen Dienst genutzt – all well.
Es wird auch hier wieder Tag für Tag heißer – selbst unterm Sonnenschirm am Strand brutzelt man vor sich hin. So fällt uns die Weiterfahrt nach La Rochelle mit flottem Nordost bis zu 6 Beaufort nicht schwer.
Hier kommen wir in der bislang größten Yacht-Marina „Minimes“ fest. Sie liegt zwar etwas außerhalb vom Stadtzentrum, ist aber gut „belüftet“ vom dauerhaft starken Nordost Wind. Die beiden Katamaran / Trimaran Hersteller Fontaine Pajot und Neel rüsten hier ihre gigantomanischen Katamarane aus – direkt an unserem Steg. Da wird denn final mal eben der Hochdruckreiniger raus geholt, um die letzten Fußstapfen der Arbeiter abzuspritzen (z.T. voll auf die Elektronik), während es in jedem Hafen einen Hinweis gibt, dass das Reinigen von Schiffen mit Wasser aufgrund der anhaltenden Trockenheit zu unterbleiben hat. So ist die Welt, bunt aber nicht gerecht.
Von hier planen und bereiten wir unsere Biskaya-Überquerung am Mittwoch 10.8.2022 vor. Wir haben uns Gijon als Zielhafen ausgesucht, da dieser bei Tag und Nacht anzulaufen ist. Das Baskenland müssen wir schweren Herzens auslassen, da in der folgenden Zeit Westwind herrschen soll und die Lust zum Kreuzen bei uns nicht ausgeprägt ist. Aber zurück zu unseren 3 Tagen hier in La Rochelle mit seiner ganz bezaubernden Altstadt. Bevor wir uns diese jedoch anschauen (bei über 36°) machen wir einen Ausflug zur nahegelegenen Ile de Ré. Die Tour findet mit dem öffentlichen Nahverkehr – also Stadt- und Überlandbussen - statt. Die Fahrpläne zu lesen, zu interpretieren und auch immer die richtige Bushaltestelle zu finden, ist eine Herausforderung an sich. Wir sind am Abend nicht nur um schöne Eindrücke von der Insel und dem Hauptort St. Martin reicher, sondern auch stolz, es tatsächlich zurück geschafft zu haben (mit der elektrisch betriebenen Hafenfähre „Bus de Mer").
Biskaya-Bezwingung und Ankunft in Gijón
Am 10.8.2022 lösen wir um 6.30 Uhr unsere Hafenleinen in La Rochelle… raus geht es auf die Biskaya. Der erste Tag auf See sind Biskaya-Werbestunden. Ausgebaumt mit schönem Nordost 4-5 segeln wir Kurs Südwest. Abends um 19 Uhr nehmen wir den Baum weg und segeln weiter auf Backbord-Bug in den romantischen Sonnenunter- und magischen Mondaufgang. Eine beringte Taube nutzt die Mitfahrgelegenheit und ruht sich die ganze Nacht auf dem Achterdeck aus. Morgens sichtet sie wohl ein Containerschiff ("Gibts da vielleicht ein anständiges Frühstück?") und flattert davon.
Die Nacht ist warm und im Vollmondschein höre ich meine Lieblings-Songs auf dem Bluetooth- Lautsprecher. Manni schläft sogar hinten im Bett (mit Leesegel). Unsere Freunde Gerd und Nanni mit ihrer wunderschönen Sunbeam „Sunrise“ sind übrigens die ganzen 2 Tage lang vor- oder hinter uns in ca. 5 Seemeilen Entfernung. Das ist für alle ein beruhigendes Gefühl, kann man sich doch über UKW kurz nach Befindlichkeiten erkundigen und Segelmodalitäten abstimmen. Der folgende Tag auf See ist schwül heiß, zumal nun auch der Wind früher als angesagt einschläft. Wir motoren. Dann kommt per UKW von Gerd die Hiobs-Botschaft, dass sein Propeller nicht mehr richtig dreht oder die Welle einen Schlag hat. Wir sehen uns schon als Abschlepper über 50 sm bis Gijón, als eine ¼ Stunde später die Entwarnung kommt. Vermutlich hat sich nur kurzfristig eine Plastiktüte darum gewickelt…. Kurz mal rückwärts gegeben und es läuft wieder. Gerade als wir uns wieder entspannt zurücklehnen, erzählt er, dass sie zwei Orcas in einiger Entfernung gesehen haben. Zum Glück zeigten sie keinerlei Interesse weder an Sunrise noch an Auriga.
Gijón empfängt uns mit einer Festspielwoche
Die 2. Nacht ist dann nicht mehr so schön: der Wind kommt zusammen mit Nebelbänken aus West und auch sehr unbeständig wieder. Ich reffe ein und reffe aus, bis ich ziemlich entnervt vorzeitig Manni aus seiner Koje rufe. Wir machen das Radar an und er hat dann in seiner Wache halbwegs beständigen Wind. Eine Stunde vor der Ankunft in Gijón weckt er mich, damit ich die magische Mondnacht mit der im Nebeldunst nur zu erahnenden Gebirgsküste miterleben kann. Der Wind ist so freundlich und schenkt uns noch einen Zieher (er dreht auf Nordwest), erst kurz vor dem Hafen machen wir die Maschine an. Am Visitor-Steg gleich links um die Ecke finden wir sogar einen freien Boxenplatz. Eine Stunde später ist auch Sunrise da und hat ebenfalls die Sicherheit, eine freie Box von uns vorab avisiert zu bekommen. Puh, müde aber hochzufrieden über die gelungene Querung geht es in die Koje.
Einmal um die Welt mit Schiffen von vorgestern... wo ist das Vergnügen?!
Einen Steg weiter liegt die Flotte der Golden-Globe Teilnehmer-Schiffe. In den nächsten Tagen können wir live verfolgen, wer sich an dieser herausfordernden Weltumsegelung auf alten Schiffen ohne moderne Navigation wie GPS beteiligen möchte. Von Gijon wird die Flotte am Sonntag den 14.8.2022 zu ihrem Kommunikations-Testtörn zurück nach Sables d’Olonne segeln… mittlerweile gab es dabei auch schon den ersten Crash. Na, da waren wir doch erfolgreicher ;-)
Gijon ist ziemlich groß mit ca. 500.000 Einwohnern. Und wenn noch Festtagswoche angesagt ist mit viel Live-Musik und Feuerwerk, dann sind die Altstadtgassen und auch die weitläufige Uferpromenade voll mit Menschen…wir mittendrin. Sonntag, 14.8. starten wir noch vor der Golden Globe Truppe, um uns 20 sm weiter nach Westen zu „verholen“.
Neuer Hafen Aviles
Avilés liegt am gleichnamigen Fluss ca. 2 sm weit im Binnenland und ist auf dem ersten Blick sehr industriell geprägt. Zum Glück haben etliche Yachties auf der App “Navily“ schon gepostet, dass der erste Eindruck täuscht. Hinter den zum Teil sehr unansehnlichen Häusern an der Uferpromenade verbirgt sich eine schöne Altstadt, die wir auch umgehend erkunden. Davon abgesehen, haben wir mit dem hiesigen Hafenmeister „Angel“ einen sehr netten und hilfsbereiten Ansprechpartner für unsere Fragen. Der Hafen ist für unser Schiff mit 28 Euro Liegegebühr (und 4 Tage bezahlen, 5. Tag kostenlos!) endlich mal günstig. Damit können wir hier das seit einer Woche angesagte Schietwetter aus West gern aussitzen. Auch Sunrise folgt am nächsten Tag, so dass wir uns am Mittwochabend für ihre Einladung zum Bord-Essen revanchieren können. Es wird ein lustiger Abend auch aufgrund des „Stöckenspiels“ (Manni mogelt!).
Ausflug und Ausblick
Wir nutzen diesen strategisch günstig gelegenen Ort, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn einen Ausflug zur asturischen Hauptstadt Oviedo zu unternehmen. Auch hier jede Menge Palazzios und Kirchen, die wir natürlich gebührend bewundern. Ebenfalls erwähnenswert ist der riesige Strand von Salinas, den wir am Montag mit unseren Fahrrädern aufsuchen bei (noch) schönstem Sonnenschein. Herrliche Wellen zum Baden sind der Lohn!
Ach und nicht zu vergessen ist der superleckere Kaffee hier – hat wieder Süchtigkeitsfaktor ähnlich wie in Portugal. Die Preise für „Café con Leite“ und die Lebensmittel sind hier in Spanien wieder mehr nach unserem Geschmack (Geldbeutel). Und der Diskounter Lidl verspricht, die eine oder andere vertraute Leckerei für den Bordkühlschrank wie zum Beispiel Quark! Tja, wie sich der Blickwinkel ändert, wenn man auf Reisen ist… Übrigens nur der Vollständigkeit halber: Kohlrabi gibt es auch hier nicht :-) Manni macht sich daraus schon einen Witz nach dem Motto, wie bekomme ich eine Ostfriesin zum Bellen:
„Da habe ich gerade Kohlrabi gesehen“ Ich: „Wo, wooh, wooh?“ … schön reingelegt!
Bei allem Reiseglück gibt es jedoch auch Schattenseiten … hier sind es die zum Teil brutalen Angriffe von Orcas auf die Ruderblätter von Segelschiffen. Ab Viviero / La Corona wird es „gefährlich“. Auf den Stegen hier in den Häfen finden aufgeregte Gespräche zu möglichen Ursachen für diese seit 2 Jahren bekannte Verhaltensweise statt. Und es werden diverse Abwehrtechniken bis hin zum Stealth Modus (Echolot ausmachen, geht bei Auriga leider nicht, da Bus-System) ausgetauscht. Wir versuchen, uns zwar viele Informationen zu besorgen, wollen uns aber auch nicht verrückt machen lassen. Daher werden wir, soweit es vertretbar ist, die nächsten Tage nach Westen bis kurz vor dem Cap Ortega weitersegeln und die Situation verfolgen. Auch hier hat sich unser Blickwinkel verschoben, statt auf die seglerischen Herausforderungen wie Cap-Effekt, Wind und Dünung sorgenvoll im Blick zu haben, sind es nun diese eigentlich faszinierenden größten Delphine (ja, es sind keine Wale!).
Alle jetzt mal die Daumen drücken, dass wir in den nächsten Wochen unbeschadet das Cap Finisterre umrunden können und die Orcas sich rechtzeitig der Wanderung der Thunfische nach Norden anschließen!
Kommentar schreiben
Nanni und Gerd (Donnerstag, 18 August 2022 20:41)
Hallo Ute, hallo Manni,
super toll geschrieben und schöne Fotos! Es macht echt Spass, mit euch zu segeln. Wir hoffen, dass wir alle unbeschadet durch das Orcagebiet kommen.
Und Manni, das nächste Mal mogelst du nicht beim "Stöckchenspiel".
Sind jetzt schon auf eure nächsten Eintragungen gespannt.
Seid lieb gegrüßt
Nanni und Gerd
Ingrid & Klaus (Freitag, 19 August 2022 12:07)
Hallo Ute, Hallo Manni,
wieder ein wunderschöner Bericht der uns neidisch macht. Auch die Fotos von Euch begeistern uns. Schön, dass Ihr unsere Freunde Nanni und Gerd immer wieder trefft,…sind ja auch liebe Menschen mit denen man gern zusammen ist.
Habt noch eine schöne Zeit und grüßt die SUNRISE-Crew.
Liebe Grüße Ingrid und Klaus
Birgit Perlowsky (Mittwoch, 24 August 2022 11:08)
Hallo ihr beide,
ich sitze hier im Hamburg und habe (fast) das Gefühl, dabei zu sein. Es macht Spaß, den Bericht zu lesen und sich die schönen Fotos anzusehen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung :-)
Liebe Grüße aus dem sonnigen Norden.
Birgit